Eng an die Zeltplane gedrückt versuche ich in dem kleinen Stückchen Schatten, das trotz der bereits hochstehenden Sonne entsteht, meinen Kater auszuschlafen. Ein Ohr auf den kühlenden Sand gepresst nehme ich die Schläge und Vibrationen besonders direkt wahr, als nebenan ein weiteres Zelt aufgebaut wird, deshalb: hinaus! Ein Spaziergang den Strand entlang über die Grenze soll mich wieder frisch machen und ich steige vorsichtig über die Berge aus glattgeschliffenen Muschelschalen, die von den Gezeiten aufgehäuft werden, werde aber kurz außerhalb des Dorfes von zwei Beamten angehalten, die vor ihrem Einsatzfahrzeug auf Klappsesseln sitzend den Strand bewachen. Sie erklären mir, dass ich ins Landesinnere zum offiziellen Grenzübergang müsste, um dort meine Identität nachzuweisen. Der mehrere Kilometer lange Umweg zum Grenzposten und wieder zurück ans Meer auf der anderen Seite macht aus meinem für nur wenige Minuten geplanten Spaziergang einen eineinhalbstündigen Marsch. Aber die Anstrengung lohnt sich: die Steilküste ist beeindruckend und der Strand menschenleer, ruhig und sauber. Im Vergleich zu den bewohnten Strandabschnitten türmen sich hier die Muschelschalen in noch höheren, mich teilweise überragenden Haufen – aber es sind dieselben lachsrosanen Riesenmuscheln und dieselben Disteln wie auf der anderen Seite. Leider habe ich zwar einen Ausweis aber keinen Fotoapparat mit und kann mir die Landschaft nur einprägen, um sie einmal zu beschreiben. Am Rückweg kaufe ich an der Grenze ein Eis und versuche, die schöne kyrillische Schrift bei aus dem Kontext erratbaren Wörtern zu entziffern, später werde ich bei gebratenem Fisch und Gemüse grübeln, ob und wie die Schriftform wohl das Sprachgefühl von Menschen beeinflusst. Es wird mir wieder einfallen, wie begeistert ich von Wörtern war, die sich über die Sprachgrenzen hinweg ähneln: Portocala, sigurta, češnja, … Der ganze Kontinent erscheint mir in diesem Moment zauberhaft verbunden!