Bild 1

Am Bildschirm nach links gewischt und die letzten Eindrücke leben wieder auf: ein Blick durch die Zinnen einer Burg aus Lehm und Stroh, die seit kaum einem Jahrhundert verlassen ist und nun Stück für Stück wieder in den Boden zerfließt. Keine überlebensnotwendige Fluchtburg mehr, kein Getreidespeicher, nur noch eine Attraktion für den Tourismus, beschrieben durch 3 Sätze im Reiseführer. Holzfasern und Steinsplitter, die wieder in der Erde verschwinden und vom Wüstenwind verweht werden....

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Bild 2

Die Metallstangen der Reling zerteilen den Blick auf die Aulandschaft, deren Ruhe vom lauten Röhren der zwei Motoren durchbrochen wird. Da der Fluss Hochwasser führt, schwappen die vom Schnellboot verursachten Wellen in die überfluteten Wälder, so dass die Bäume sanft schwanken und immer wieder Vogelschwärme auffliegen. In einem Bildband in einer Pension werde ich später lesen, dass das ganze Gebiet aus ausgedehnten, schwimmenden Schilfinseln besteht, die ständig ihre Position und ihre Grenzen ändern, und man sich, wenn man die Verhältnisse nicht kennt, in diesem Labyrinth trotz genauer Beschilderung nicht zurechtfinden und sich in den Seitenkanälen verirren würde, da alte Wege schnell unpassierbar werden....

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Bild 3

Eine Glaswand trennt mich wie in einem Aquarium von der Außenwelt und es erscheint mir unwirklich, die Menschen auf dem Platz ohne Ton wahrzunehmen. Das Summen der Klimaanlage im Restaurant verstärkt dieses Gefühl noch, besonders als ich einen Jugendlichen beobachte, der den Vorbeigehenden frisch gepressten Saft aus Orangen und Granatäpfeln anbietet, die er, zu einer fragilen Pyramide aufgestapelt, auf einem bunt bemalten, dreirädrigen Karren transportiert. Das Motiv wäre ein Foto wert, um diesen einmaligen Eindruck nicht zu vergessen, oder?...

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Bild 4

Knapp über dem flachen Horizont glüht die Abendsonne rötlich und es scheint so, als ob ich der einzige westliche Tourist bin, weshalb mir die Reisebegleiterin immer besonders aufmerksam Tee, Kaffee, Säfte und Naschereien anbietet. Auf den plastikvermüllten Wiesen links und rechts weiden Schafe und Pferde, und an jeder Zufahrt ist ein Fahrverbotsschild zu erkennen, dass sich aufgrund der Geschwindigkeit und der Lichtverhältnisse nicht fotografieren lässt: auf weißem Grund, rot eingekreist, ist ein Pferdefuhrwerk abgebildet....

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Bild 5

Das Foto war im Vorbeigehen und in der Dämmerung aufgenommen worden, bemüht unauffällig, und deshalb verschwommen: Ein Blick auf eine Kreuzung, an der schon die rußschwarzen Öfen angeheizt worden sind und wo es dampft und raucht und vermutlich brutzelt und duftet. Zwei Wege gingen von dieser Straßenecke weg: die Leiterstraße, in der verschieden hohe Bambusgerüste und andere Aufstiegshilfen aufgereiht stehen; und die Sattlerstraße, in welcher gerade die Mopeds in die Garagen geschoben und zufrieden die ersten Biere geöffnet wurden....

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Bild 6

Eng an die Zeltplane gedrückt versuche ich in dem kleinen Stückchen Schatten, das trotz der bereits hochstehenden Sonne entsteht, meinen Kater auszuschlafen. Ein Ohr auf den kühlenden Sand gepresst nehme ich die Schläge und Vibrationen besonders direkt wahr, als nebenan ein weiteres Zelt aufgebaut wird, deshalb: hinaus! Ein Spaziergang den Strand entlang über die Grenze soll mich wieder frisch machen und ich steige vorsichtig über die Berge aus glattgeschliffenen Muschelschalen, die von den Gezeiten aufgehäuft werden, werde aber kurz außerhalb des Dorfes von zwei Beamten angehalten, die vor ihrem Einsatzfahrzeug auf Klappsesseln sitzend den Strand bewachen....

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Bild 7

Am Fenster sitzend spüle ich die trockenen Kekse mit dem letzten schalen Schluck lauwarmen Leitungswasser von zuhause hinunter und schaue hinaus. Wir haben den Karpatenbogen hinter uns gelassen und fahren nun durch eine Ebene voller Äcker, zwischen denen vereinzelt Dörfer oder Industrieanlagen verstreut liegen. Wie so oft motivieren mich reale Begebenheiten dazu, mir die Umgebung als Computerspiel vorzustellen, doch diese Phantasien werden abrupt beendet: Gut geschützt vor Wetter und Kälte aus dem Abteilfenster blickend sehe ich draußen einen erwachsenen Mann, der auf einem klapprigen Kinderfahrrad neben dem Zug dahinstrampelt, eine Schaufel über der Schulter, vielleicht eine abgebrannte Zigarette zwischen den Lippen....

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